Flurnamen in Windisch
Man legt gewöhnlich den Flur- und Bergnamen keine große Bedeutung bei; Hunderte von Menschen bearbeiten die Felder, ohne sich um die Entstehung und den Sinn ihrer Namen nur einmal zu bekümmern. Man hat sich daran gewöhnt alles so zu betrachten, wie wenn es immer gleich gewesen wäre, ohne daran zu denken, daß vielleicht im Flurnamen eine Erinnerung an frühere Zustände sich erhält.
Eine Vergleichung unserer Flurnamen mit denen der äußern Gemeinden zeigt auffallend, daß dort modern klingende Namen vorherrschen, während die große Mehrheit derer von Windisch ganz alte, sogar unverständliche Sprachformen auf weist; es ist dies ein Beweis, daß die Windischer Flurnamen in den Anfang des Mittelalters zurückgehen, während die außen herum dem jüngern Mittelalter, sogar der Neuzeit entstammen. Wenige weisen auf geschichtliche Personen oder Zustände hin; die meisten enthalten Angaben phisikalischer oder kultureller Natur.
Beginnen wir an der tiefsten Stelle, wo sich Reuß und Aare vereinigen, unsere Wanderung, so durchstreifen wir zuerst den Schachen, althochdeutsch scahho, leichten Sandboden, wie er an der Aare häufig auftritt und von ihr bei Hochwasser überschwemmt wird. Nur um wenige Meter höher liegen von links nach rechts höher ansteigend :
- Der Rüchlig, das heisst rauhes Land, voll Kies, mit Gebüsch bewachsen, ist die Gegend, wo heute die Fabriken und der Kanalanfang sind.
- Der Siggeler, von althochdeutsch sic, sig, feuchte Niederung und lôh, lo, Wald ; war also einst auch Wald, Gestrüpp; die Zelg nördlich der Fabriken.
- Das Werd (davon Werdgasse), althochdeutsch warid, werit, mhd. wert, d. h. erhöhtes Land im· Wasser, der unterste Teil des Dorfgebietes, der bei Hochwasser nicht mehr überschwemmt wird.
- Das Kirchenfeld, die Ebene, die sich nördlich der Kirche, unter dem Bühl, von mhd. buhel, Anhöhe, ausdehnt und seit 1854 von der Eisenbahnlinie in ein vorderes und hinteres zerschnitten wird.
Hat man die Höhe bei der Kirche erreicht, so folgt westlich des Hofes die Breite, die südlich an das Tägerli und Oberburg, westlich an die Saffen, nördlich an den Kalberhübel und das Bühl anstößt. Sie birgt die bedeutendsten Reste der alten Römerstadt, bildet die schönste Zelg des Dorfbannes und hat ihren Namen davon erhalten, daß sie einst eine besondere Zelg, Esch, mhd. gibraita, gibraita, des Windischer Hofes war, wo die Hofbauern nach den Regeln der Dreifelderwirtschaft ihr Getreide bauten. Eine Vertiefung, als natürliche Talmulde, zieht sich von Süd nach Nord östlich des Schulhauses durch, es ist die Tellimatte, die, wie man vermutet, schon von den Kelten als Wallgraben für die Ansiedelung ostwärts, das Refugium, befestigt. war.
Nach Süden geht der steile Abhang längs der Reuß, die Risi, in die Brunnhalde, dann in die Auhalde über, und diese zwei umschließen die Au, ouwe, das heutige Fahrgut, nach Westen. Die Brunnhalde hat Quellen, die noch heute den Fahrgutbewohnern das Trinkwasser liefern. Auf gleicher Höhe mit der Breite zieht sich nach Mülligen hin das Tägerli; mehr als die Hälfte desselben ist zu Kulturland umgeändert (z. B. ,,Stöckplätz"). Weiter folgen der finstere Boden, d. h. Wald mit Tannen bepflanzt, und schließlich an der Krümmung der Reuß die Tschämbele. Die Nachsilbe -li,-le ist abgeschwächtes loh, Wald; die Bedeutung von teger, das in sehr vielen Orts- und Flurnamen auftritt, wie die von scham, tscham ist noch nicht genügend abgeklärt. Das wilde waldige Hügelgebiet der Tschämbele, reich an Gips, Kalk und Mergel, war einst Allmend und Wald der Windischer, wurde dann von Herzog Albrecht 1354 an das Kloster verschenkt, weshalb es jetzt noch Staatsgut ist. Dort liegt mitten in der Reuß das im· Mittelalter häufig genannte Fach, der jetzige „Meierislischachen", benannt nach althochdeutsch fah, Damm, Wehr; bekanntlich zieht sich von der Tschämbele her mitten durch· die Reuß zu dieser Insel ein Kalkgrat, der die Reuß nach Osten hin abdrängt und in alten Schriften die Teufelsbrücke genannt wird.
Hoch über dem Tägerli baut sich der Lindhof, ein dem Kettenjura angehörendes wellenlörmiges Hügelgebiet auf; sein Name leitet· sich von Linde, der Baumart, ab (ze Linde, Linde), Das eigentliche Hofgebiet gehörte nie in dem Dorfverband, sondern war Eigentum der Landesherren oder ihrer Dienstleute.
An den östlichen Abhängen des Lindhofes sind die Kreuzhalde (am Weg nach Mülligen stand ein Kreuz), die Schwingrüti, d. h. die steile Rüti, wo später auch Weinreben gepflanzt wurden, und die Fluhhalde, jetzt „der grüne Rain", benannt nach dem vorstehenden Felsen, der Fluh. Ueber den Kapf, d. h. runder Hügel mit schöner Aussicht, eigentlich Kopf, spätlat. capo, gelangt man durch den Kalch, Kalkwald, hinunter nach dem Dorfe Oberburg, dessen oberer Teil Kahlacker heißt; es ist dies eine Stelle, die einst kahl, mit römischen Mauertrümmern bedeckt war. Die Gegend zwischen dem Brunnen, einst Sarnbrunnen, nun Bärenbrunnen, bis zum Klostergebiet war der Bruhwasen, von mhd. bruoh, bruo, Moor, Sumpf und wasen, Wiese; hier verlor ·sich das Wasser der Römerleitung und machte das Land sumpfig.
Gegen Hausen hin dehnt sich, westlich des Kapf, das Sohr aus, von sar, sarn, Schilf, Binse; es ist nasser, lehmhaltiger Boden, der den Oberbürgern einst ihr Trinkwasser
liefern mußte. Daran schließt sich die Heu, teilweise Wald, zum großen Teil aber Wiesland. Die Erklärung dieses Namens ist keine leichte; mit Heu, dem gedörrten Gras, mhd. hoewe,
hat er nichts zu tun; vielmehr lehnt sich das Wort an höuwe, Waldhau, an und weist dann dieses Gebiet in die Reihe der einstigen Wälder, die nicht als Weide gebraucht werden
durften, ein. Talwärts liegt die Dohlenzelg, von der Römerleitung, der Dohle, benannt; der Name erscheint zwar erst nach der Reformation, ist also jung.
An der Stelle zwischen der Anstalt Königsfelden und dem Klosterzelgweg waren einst die Saffenäcker und -wiesen, vielleicht von sai, Saft, saften, ,,saifere"; der Name wird schon um 1100 nicht mehr gebraucht. Gegen Brugg hin folgt die Bachtale, eigentlich Bach-telli, eine Vertiefung, wo wohl einst der Süßbach, aber noch· viel früher die Aare durchfloß, Auf dem Boden von Brugg; wo heute die Bahnhofanlage und die Aarauer- und Zürcherstraße sich befinden, lag die Ehefädi, Gemeindeteile, die mit Hecken eingezäunt waren; sie wurde 1863 an Brugg verkauft. Unten an der Aare, wo heute die Gießerei. liegt, pflegten einst die Einwohner über die Aare zu fahren; sie nannten die Stelle Dietfurt von diet, Volk, und furt, Uebergang. Vermutlich galt dieser Durchgang nur dann, wenn in Kriegszeiten das nahe Brugg verschlossen blieb; die Benutzung desselben scheint sehr frühe aufgehört zu haben.
Jenseits des Süßbaches war lange Zeit nur Wald, der dann bis zum Fuß der steilen Anhöhe, dem Hiltisbühl, dem Bühl des Hilto, allgemach ausgereutet wurde: Reutenen. Südlich der Reutenen liegt noch jetzt der Seckler auf Hauser Boden, gleich lautend mit Siggeler. Wo der Bach aus seinem engen Tobel sein Tälchen weitet, stand während des Mittelalters auf der Wiese darüber das Rad mit dem Galgen, wo die Verbrecher des Amtes gerichtet, gehängt oder enthauptet wurden; davon rührt noch immer der Name „Hauptgrube".
Gegen Brugg und Altenburg; westlich des Süßbaches, liegt der Schorren oder Schorrer, von scor, scorro, abfälliges Land, der duch den Verkauf von 1863 dem Gemeindebann von Brugg einverleibt wurde.
Aus "WINDISCH zu Zeit des Mittelalters", von Koprio, Sam. Lehrer in Windisch, 1911
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